Historischer Liebesroman – Evesham Reihe

Man hat ihm alles genommen.
Seinen Ruf als ehrenwerter Gentleman.
Seine Hoffnung auf Frieden.
Seinen Glauben an die Liebe.
Doch eines kann man dem unbarmherzigen Marcus St. John, Earl of Grandover, nicht nehmen: Rache zu üben an den Männern, die seinen Untergang wollen. Er steht kurz davor, den geheimnisvollen Drahtzieher im Hintergrund zu identifizieren.
Doch dann tappt er in eine geschickt ausgelegte Falle und sieht sich gezwungen, eine Frau zu ehelichen, die ein Werkzeug seines Feindes ist.
Je länger der gnadenlose Earl die Feindin im eigenen Haus beobachtet, desto größer werden seine Zweifel an ihrer Rolle. Sie ist klug und schön, aber vor allem berührt sie sein Innerstes auf eine Weise, die ihm längst vergessen war. Kann es wirklich sein, dass sie ihm den Verstand vernebelt und sein Herz verwirrt?
Gerade als er glaubt, das raffinierte Spiel zu durchschauen, werden die Karten neu gemischt …
Mysteriös – gefühlvoll – zauberhaft. Der neue Liebesroman von Emmi West ist ein weiterer Band inmitten der schillernden Regency Ära. Die ideale Lektüre für alle, die zartfühlende, aber mutige Heldinnen und selbstbewusste, starke Helden bevorzugen.
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Leseprobe:
St. John fluchte stumm, als er beobachtete, wie Greywood mit einer jungen Frau, die kaum die Kinderstube hinter sich gelassen hatte, in Richtung Garten verschwand. Selbst in Gedanken verweigerte er ihm den Adelstitel, der in seinen Augen an einen Taugenichts wie Greywood verschwendet war. Dieser verdammte Bastard war seine einzige Spur und er hatte gehofft, ihn heute Abend zu einem der Treffen verfolgen zu können. Aber so wie es aussah, war Greywood im Augenblick mehr daran interessiert, das Mädchen zu verführen als seinen anderen, weitaus dunkleren Plänen Vorschub zu leisten. Seine Zügellosigkeit würde noch einmal Greywoods Untergang sein.
Eine Idee schoss durch Marcus’ Kopf, aber ihm blieb keine Zeit, mehr zu tun, als sie sich für später zu merken. Der Bastard machte Anstalten zu verschwinden. Die Chance, dass Marcus heute noch ans Ziel gelangte, war angesichts des Mädchens gering, aber sicher war sicher. Er beschloss, dem Mann trotzdem unauffällig zu folgen. Vielleicht sah oder hörte er etwas, das ihm später von Nutzen war. Aus der Ferne spürte er den Blick der jungen Frau auf sich, die sich ebenfalls halb verborgen gehalten und die beiden Turteltauben beobachtet hatte. Der Schock, den ihm ihr Anblick versetzt hatte, vibrierte immer noch durch seinen Körper. In der ersten Schrecksekunde hatte er geglaubt, einen Geist zu sehen, der ihm von einem rachsüchtigen Gott geschickt worden war. Ihr Haar, die Art, wie sie ihre Umgebung aufmerksam und mit einer kaum wahrnehmbaren Verwunderung betrachtete, sogar ihre beherrschten Gesten erinnerten ihn an die Frau, die … Er schüttelte unmerklich den Kopf, ärgerlich auf sich selbst und schob die peinvollen Erinnerungen mit aller Macht von sich.
Wenn er es nicht besser wüsste, hätte er geglaubt, sie sei ebenfalls hier, um Greywood zu beobachten. Für eine eifersüchtige ehemalige Gespielin war sie jedoch zu beherrscht. Obgleich die gedämpfte Farbe ihres Kleides in Verbindung mit ihrem jungen, blassen Gesicht äußerst apart wirkte, war der auffallende Kontrast nichts, was eine heimliche Beobachterin gewählt hätte. Erst als er die Besorgnis sah, die sich auf ihrem Gesicht abzeichnete, wurde ihm klar, dass vielmehr das Mädchen im Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit stand. Für einen Moment lenkte das Mitgefühl mit ihr Marcus ab. Das Mädchen am Arm Greywoods war verloren, auch wenn sie und ihre Aufpasserin es noch nicht wussten.
Er sah noch, wie ihre für den Zeitgeist viel zu üppige, kastanienbraune Frisur in der wogenden Menge aus Köpfen untertauchte, dann setzte er dem Viscount nach. Von links näherte sich ihm Lady Wetherby mit ihren beiden Töchtern im Schlepptau. Ohne Zögern schlug Marcus einen Haken, nickte dem Duke of Titchfield zu und folgte Greywood hinaus auf die Terrasse. Der unruhige Lichtschein der flackernden Fackeln machte es schwer, genaueres zu erkennen, aber er erspähte den flatternden Saum eines Kleides, bevor seine Trägerin in den Schatten untertauchte.
Wie er es vermutet hatte, führte Greywood das Mädchen zu den Ställen. Das ließ zwei Schlüsse zu, überlegte Marcus, während er auf leisen Sohlen hinterher schlich. Entweder wollte er das junge Ding dort verführen oder er plante, sie in eine seiner Absteigen zu bringen und sich Zeit mit ihr zu lassen. Greywood war kein Mann, der sich um Diskretion kümmerte. Wenn er wollte, fand er irgendwo in den Ställen eine Nische und falls jemand zusah, scherte es ihn nicht. Wie auch immer, es war weder seine, St. Johns Aufgabe, das zu verhindern, noch hätte er es tun können, ohne seine Deckung aufzugeben. Hinter ihm raschelte das Laub, aber als er sich umwandte, sah er nichts, was das Geräusch verursacht haben könnte. Beruhige dich, ermahnte er sich. Es war unmöglich, dass ihm einer seiner Feinde auf die Spur gekommen war. Er hatte jede erdenkliche Vorsichtsmaßnahme angewandt, um unerkannt zu bleiben.
Eine verstohlene Bewegung wies ihm den Weg. Doch statt, wie er vermutet hatte, in Richtung der Ställe abseits des Haupthauses abzubiegen, wandten sich die beiden nach rechts, tiefer in den Garten hinein. Einer seiner Freunde hatte ihn einmal »übervorsichtig in einem fast schon aberwitzigen Ausmaß« genannt, aber heute kam ihm seine Umsicht zugute. Er hatte sich den Grundriss des Hauses und des umgebenden Parks eingeprägt, um für alles gewappnet zu sein. Aus diesem Grund ahnte er, wohin es Greywood zog. Im Garten stand ein Pavillon, der perfekt für seine Absichten geeignet war.
Marcus blieb stehen. Jetzt, wo er fast sicher war, dass Greywood lediglich amouröse Absichten hegte, konnte er ebenso gut kehrtmachen und warten, dass der Bastard wieder auftauchte. Was also bewog ihn, dem Paar trotzdem hinterher zu schleichen? Er war immer gut beraten gewesen, seinem Instinkt zu vertrauen und beschloss, es auch diesmal wieder zu tun. Nach einem kurzen Moment innerer Debatte trat er vom Kiesweg auf den Rasen, um das Geräusch seiner Schritte zu dämpfen. Der Mond, dessen Licht ab und zu durch die Wolken brach, war ebenso auf seiner Seite wie gegen ihn, aber da er alte Gewohnheiten nur schwer ablegte, war er dunkel gekleidet und damit nahezu unsichtbar.
Sein Körper setzte sich in Bewegung. In Augenblicken wie diesem war die jahrelange Tätigkeit in den Schatten ein enormer Vorteil, erlaubte sie ihm doch, Körper und Geist zu trennen. Schleichen, die Umgebung nach Ungewöhnlichem absuchen und gleichzeitig kaltblütig Entscheidungen zu treffen, hatte ihn überleben lassen.
Wieder vermeinte er, ein Geräusch zu hören, das nicht in die Nacht und in die Umgebung passte. Aber auch jetzt erblickten seine Augen nichts, was ihn hätte beunruhigen müssen.
Endlich erschien der Umriss des Pavillons vor ihm. Nur noch wenige Schritte trennten ihn von seinem Ziel. Gerade überlegte er, wie nahe er sich heranschleichen konnte und dass es eigenartig war, dass die junge Frau in den Armen Greywoods keinen Laut von sich gab, als sich ihm die Nackenhaare sträubten. Doch es war zu spät. Er prallte gegen etwas Weiches, das er unmissverständlich als weibliche Brüste erkannte, die skandalöserweise nur locker geschnürt waren. Bevor sich Marcus über den Grund seines Missfallens wundern konnte, fühlte er einen brennenden Schmerz auf seiner Wange. Die zarte Hand in dem weißen Handschuh zog sich zurück, aber nicht schnell genug für ihn.
Seine Finger schlossen sich um das schmale Handgelenk und den mehr empörten als schmerzerfüllten Aufschrei ignorierend, zog er die Frau zu sich heran. »Was hast du mit meiner Schwester gemacht? Wo ist Felicity?«, zischte ihm eine Stimme ins Ohr, die unter normalen Umständen sicher angenehm geklungen hätte. Jetzt aber hörte er unter dem vibrierenden Alt vor allem eines: Zorn. Und Angst.
Und wieder traf ihn die Erinnerung mit voller Wucht. Er hörte eine ähnlich klangvolle Frauenstimme, zu einer anderen Zeit und an einem anderen Ort.
»Seien Sie still«, befahl er und spitzte die Ohren. Wahrscheinlich hatte der Schrei der Frau Greywood vertrieben, aber trotzdem wollte er jedes Aufsehen vermeiden. Er wusste, dass Geschichten seiner Verfehlungen und Gerüchte um seine Vergangenheit ihm bereits einen zweifelhaften Ruf bescherten, aber ein aufmerksamer Beobachter konnte sich durchaus die Frage stellen, was Marcus eigentlich in den Garten hinausgetrieben hatte.
»Ich denke nicht daran«, antwortete ihm die fremde Frau. »Nicht bevor Sie mir gesagt haben, wo Felicity ist.«
»Ich weiß es nicht und es interessiert mich auch nicht«, gab er grob zurück. Am Rande seines Blickfelds glaubte er, das dunkle Kleid zu sehen, dem er hinaus gefolgt war. »Still, sonst werde ich Ihnen den Mund zuhalten.«
Er war nahe daran, die Geduld zu verlieren. Einen Moment lang hoffte er, die Fremde in seinen Armen werde sich als vernünftig erweisen, aber weit gefehlt. Sie tat, was keine wohlerzogene britische Jungfer jemals in Erwägung zog: Sie öffnete den Mund und überhäufte ihn mit einer Flut lautstarker Beschimpfungen. Marcus hatte in seinem Leben schon weitaus schlimmeres als »Unhold« gehört, was angesichts der Situation eine geradezu lächerliche Anschuldigung war, aber er ärgerte sich über ihren mangelnden Gehorsam und ihre schiere Unvernunft.
Später, als er wieder klar denken konnte, vermochte er es sich selbst nicht zu erklären, aber in jenem Augenblick erschien es ihm als die einzige Möglichkeit, die Fremde zum Schweigen zu bringen. Es mochte an der lauen Frühlingsluft gelegen haben, an ihrem weichen, wohlduftenden Körper in seinen Armen und nicht zuletzt auch an der Tatsache, dass ihr Anblick ihn an die glücklichste Zeit seines Lebens erinnerte, aber … er presste seine Lippen auf ihre und verschloss ihren Mund mit einem Kuss.
Sie duftete nach Mandeln und etwas Herbem, das Gedanken an einen Sommertag auf dem Land wachrief. Unter ihrem Parfum roch er den Duft ihrer Seife, unbestreitbar ein teures französisches Produkt und höchstwahrscheinlich Schmugglerware. Am betörendsten aber waren ihre Lippen, die sich ihm ohne Zögern öffneten. Erst glaubte er, sie sei eine versierte Küsserin, aber dann erkannte er an ihrer Körperhaltung, dass sie schlicht und einfach überwältigt war von dieser für sie neuen Erfahrung körperlicher Nähe. Spätestens jetzt hätte ihm bewusst werden müssen, dass sie eine Fremde für ihn war und nicht die geliebte, vertraute, tote Frau seiner Träume.
Doch Marcus St. John, Earl of Grandover, Mann von schlechtem Ruf und bekennender Liebhaber weiblicher Anmut, vergaß für den Bruchteil einer Sekunde das Analysieren und verlor sich selbst in dem unschuldigen und zugleich leidenschaftlichen Kuss der jungen Frau.
Dies war der Moment, der ihn seine Freiheit kostete.
In dem Augenblick, in dem sich der Mond erneut hinter den Wolken hervorschob und er endlich sah, wer im Begriff war, ihm vorübergehend den Verstand zu rauben, war es auch schon zu spät, um den Kuss zu leugnen.
Hinter der Frau mit dem kastanienbraunen Haar, deren Frisur sich im Zustand drohender Unordnung befand, sah er drei Männer mit raschen Schritten näherkommen. Im ersten mit der finsteren Miene erkannte er den Duke of Evesham, den fanatischen Katholikenhasser und einen der konservativsten Peers des Landes.
Er schaute die junge Frau an, die er gerade geküsst hatte. Ihre Augen huschten von seinem Gesicht zu dem des Dukes und wieder zurück. Für einen kurzen Augenblick glaubte er, sie würde den Mund öffnen und erklären, was vorgefallen war: Dass sie ihn mit jemand anderem verwechselt hatte, dass nichts geschehen war, was nicht wieder in Vergessenheit geraten konnte, wenn sich alle Beteiligten, angefangen bei ihm und ihr bis zu den drei Männern, auf Stillschweigen einigten. Doch sie sagte nichts, nicht einmal, als aus dem Mund des Dukes of Evesham eine Flut an zornigen Anklagen strömte. Ihre Augen, deren Farbe er im Schein der Fackeln nicht erkennen konnte, weiteten sich. Er glaubte, dass sie ihn flehentlich anschaute, aber dann forderte die Gegenwart der drei Adeligen ihren Tribut und sie rückte an den Rand seines Bewusstseins.
Gleich hinter dem erzürnten Vater zeichnete sich die korpulente Statur seines Freundes, des Earls of Warington, ab. Und der dritte Mann, Marcus erstarrte bei der Erkenntnis, war Greywood. Er tat kaum etwas, um sein Grinsen zu verbergen, als die beiden älteren Herren auf Marcus zustürmten und Evesham nur gerade eben von seinem Freund davon abgehalten werden konnte, die Fäuste zu schwingen. Worte wie »Ehre« und »Satisfaktion« fielen, aber sie perlten an Marcus ab wie Wasser am Gefieder einer Ente. Alles, was er wahrnahm, war der Spott im Gesicht Greywoods, als Marcus erkannte, dass ihm angesichts des in seiner Ehre verletzten Dukes keine Wahl blieb.
Entweder er akzeptierte den Fehdehandschuh des Dukes und traf sich mit ihm zu einem Duell, an dessen Ausgang er keinen Zweifel hatte. Oder er tat das einzige, was kein unliebsames Aufsehen erregte und trat in den Stand der Ehe ein. Marcus St. John schloss die Augen und kostete einen letzten Augenblick der Freiheit, bevor er sich seinem zukünftigen Schwiegervater zuwandte. Dabei streifte sein Blick das Gesicht Greywoods. Der Wunsch, den Mann eigenhändig ins Jenseits zu befördern, wurde geradezu übermächtig.
Marcus St. John hatte eine Schlacht verloren. Den Krieg jedoch gedachte er zu gewinnen.
* * *
Zwei Monate später
Annabell stand vor dem Priester und bekam kaum mit, was er sagte. Die monotone Stimme des Mannes war ein Grund. Viel mehr aber wog die Tatsache, dass sie im Begriff war, einen Mann zu heiraten, den sie kaum kannte und dessen Kälte ihr abwechselnd Angst, Abscheu und Wut einflößte. Marcus St. John, Earl of Grandover, hatte eingewilligt, sie zur Frau zu nehmen, um sie vor der Schande zu bewahren. Das waren seine Worte gewesen.
Noch immer kochte die Wut in ihr hoch, wenn sie an seine herablassende, arrogante Art dachte, mit der er sie seit jenem unglücklichen Aufeinandertreffen behandelte. »Ich brauche niemanden, der mich vor einer Schande bewahrt, die gar keine ist«, hatte sie sagen wollen und »Sie haben mich geküsst, nicht etwa umgekehrt«. Aber ein drohendes Räuspern ihres Vaters und der enttäuschte Blick ihrer Mutter hatten Annabell schließlich dazu bewogen, seinen Antrag anzunehmen. Zähneknirschend, wohlgemerkt und mit einem falschen Lächeln, das sogar im Globe Theatre Beifall gefunden hätte.
…
Ende der Leseprobe.
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